Mittwoch, Oktober 29, 2008

Der Apfel - Die reife Frucht der Marktwirtschaft

Die Marktwirtschaft ist wie ein reifer Apfel. Sie/Er kann süß oder sauer schmecken. Die letzten Jahrzehnte waren die Sorten „Golden Delicious“ oder „(W)El(t)star“ besonders beliebt.
Was geschieht, wenn ein gepflückter Apfel liegen bleibt? Manche Äpfel werden oder sind wurmig. Andere Äpfel bekommen Druckstellen und faulen an. Die freie Marktwirtschaft (free market economy) ist ein solch liegen gebliebener mittlerweile wurmiger Apfel, wobei in den letzten Jahren sogar der Kern in Gefahr geraten ist. Die soziale Marktwirtschaft (social market economy) ist ein Apfel mit verschiedenen faulenden Druckstellen, die durch jahrzehntelanges ständiges Abtasten und Durchdrücken von übermäßigen (An-)forderungen verursacht wurden und verschiedenen Pilzen einen günstigen Ansatzpunkte für deren Verbreitung lieferten.

Beide Äpfel sehen deshalb nicht mehr ganz frisch und knackig aus. Es wurde in den letzten Jahrzehnten sowohl bei der Freiheit als auch bei der Solidarität sehr viel Gift gespritzt, sodass es erforderlich wird, auf den ökologischen Anbau zurückzugreifen. Wir sollten bedenken, dass die beiden Äpfel der Freiheit und des Sozialen dennoch oder gerade durch ihre Reife ein besonders wohlschmeckendes süß-saures Aroma entfaltet haben.

Einige verschwenderische Zeitgenossen meinen, dass diese beiden Äpfel auf den Kompost der Geschichte gehören. Wer will denn schon alte, verwurmte oder angefaulte Äpfel essen?
Menschen, die so denken, haben keine Ahnung davon, wie wertvoll und lecker diese beiden Äpfel sein können, wenn man etwas mit ihnen anzufangen weiß. Sie betrachten nur das oberflächliche Erscheinungsbild des Apfels und nicht den Apfel in seiner Gesamtheit und seiner nachhaltigen Entfaltungsmöglichkeiten.

Die Marktwirtschaft hat sich als sehr erfolgreiches System bewährt. Wir sollten die Reife dieser Äpfel entsprechend würdigen. Wir müssen die Äpfel vor dem weiteren Verzehr aufschneiden und schauen, wie viel Gutes in Ihnen steckt. Die Würmer der freien Marktwirtschaft und die faulen Druckstellen der sozialen Marktwirtschaft schneiden wir weg und bringen beides zu einer Endlagerstätte, wohl wissend der Gefahr, dass uneinsichtige Zeitgenossen diese Apfelteile jederzeit wieder zu den gesunden Bestandteilen der Äpfel zurückbringen könnten.
Die restlichen Bestandteile der Früchte, die leicht 80 vom Hundert der Apfelmenge ausmachen, schneiden wir klein und bereiten daraus einen leckeren Apfelkuchen. Diejenigen, die den puren Apfel auch mit seinen Schwachstellen nicht zu schätzen wissen, sind genauso uneinsichtig, wie es die Vertreter der reinen Lehre der beiden bisher etablierten Marktwirtschaftskonzepte sind. In deren Denkstrukturen fehlt die Nachhaltigkeit (sustainability).

Zu erkennen, welch phantastische Frucht auf dem Teller der Zeitgeschichte liegt und der Menschheit einen leckeren Apfelkuchen zu servieren, das ist die Aufgabe künftiger Weltfinanzgipfel und Weltwirtschaftsgipfel. Allerdings sollten zu diesen Treffen auch echte Apfelkuchenbäcker eingeladen werden. Sonst besteht die Gefahr, dass bestenfalls nur die alten Rezepte aus der freien oder sozialen Marktwirtschaft auf den Tisch kommen. Möglicherweise werden bei dieser Gelegenheit die vorhandenen Äpfel von einigen Zeitgenossen sogar ganz verdorben. Erschreckende Rezepte wurden bereits aus den Vereinigten Staaten von Amerika und Frankreich veröffentlicht. Weitere schlechte Rezepte werden folgen. Einen Apfelkuchen aus fauligen und wurmigen Äpfeln mag niemand essen. Wenn aber noch weitere Krankheiten dazu kommen, verderben die Äpfel ganz. Leider ist noch keine ernst zu nehmende und ehrliche Bereitschaft für nachhaltige Veränderungen in der Politikwelt und Finanzwelt zu erkennen. Es ist für die Akteure schwer einzusehen, dass die Äpfel dieser Welt nicht nur wenigen gehören und künftig fairer verteilt werden müssen.

Zwei Äpfel reichen nur für sehr wenige Menschen, um kurzfristig satt zu werden. Ein Apfelkuchen vertreibt schon einer größeren Gruppe mittelfristig den Hunger.
Diese Gruppe von Menschen wird motiviert sein, weitere Apfelkuchen zu backen. Deshalb werden die Kerne der beiden Äpfel freie und soziale Marktwirtschaft in den Erdboden gepflanzt. Durch natürliche Züchtung werden die Menschen eine neue Apfelsorte kreieren - den „Delicious Star“ - nachhaltige Marktwirtschaft. Es wachsen neue Apfelbäume und kluge, weitsichtige, nachhaltig orientierte Menschen werden neue Apfelkuchen backen und andere kreative Köstlichkeiten aus Äpfeln schaffen. Das ist das Geheimnis der wundersamen Apfelvermehrung.

Die neue Apfelsorte wird die nachhaltige Entwicklung (sustainable development) der Marktwirtschaft fördern. Diese Apfelsorte „Nachhaltige Marktwirtschaft“ (sustainable market economy) wird widerstandsfähiger gegen Druckstellen, Pilze und Würmer sein. Sie ist garantiert aus ökologischem Anbau. Sie ist bezahlbar, da niemand allein das Patent auf die neue Apfelsorte beanspruchen kann sowie mit Renditen ausgestattet, die nicht nur in reinem Geldwert bemessen sind. Und sie ist sozial, da alle eine faire Chance erhalten, ein Stück vom Apfel zu erhalten.
Und wenn heute alle glauben, dass die Marktwirtschaft am Ende ist, so sage ich euch: „Kommt zusammen und lasst uns einen Apfelkuchen backen.“

Dietmar Helmer
www.buergerstrom.eu
Pattonville, den 29.10.2008